Mit First Moments veröffentlichen Front 242 ein weiteres Livealbum. Reflektiert es einen veränderten Livesound oder geht es eher darum, möglichst viel aus dem alten Material herauszuholen? – eine Einschätzung.
Front 242 – First Moments
Front 242 – ein knapper Blick zurück
Über 25 Jahre Bandgeschichte haben die belgischen Electronic Body Music Vorreiter auf dem Buckel.
Front 242 standen Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre wie fast keine andere Band für den Stil Electronic Body Music. Ihre Auftritte im Vorprogramm von Depeche Mode sind legendär.
Alben wie Front By Front, Official Version oder No Comment initierten in den 80ern die EBM Bewegung, sie dominierten die einschlägigen Clubs. Viele Bands orientieren sich bis zum heutigen Tage an den druckvollen, recht militant inszenierten und doch kühlen Werken der Frühzeit.
Anfang der 90er Jahre war man auf dem Höhepunkt der Popularität, im Rahmen der Tyranny For You Tour ließen Front 242 auch große Hallen beben. Offenbach 1991, das war schon nahe an der Perfektion.
Nach dem in Fankreisen kritisch aufgenommenen Album Up Evil im Jahre 1993 wurde es ruhig um die Band – Trennungsgerüchte kursierten.
1997 kehrten die Belgier mit sehr technoiden Versionen ihrer Tracks auf die Bühne zurück und konnten mit Happiness einen Hit verbuchen, der für technoide Body Music steht und der bis heute in diesem Segment kaum erreicht ist.
Der Rest der ‘neuen’ Versionen konnte nicht so recht überzeugen – vieles klang gewollt modern und vergleichsweise trendy. Nach fast 10 Jahren mit dem gleichen Klanggerüst und dem zwischenzeitlich gefloppten Album Pulse schien die Zeit der 242ler jetzt abgelaufen zu sein.
First Moments – warum ein Livealbum?
Nach ordentlichem Werbegetrommel des Labels Alfa Matrix und zwischenzeitlichen Hoffnungen auf neues Material, erblickt nun ein neues Livealbum mit dem Namen First Moments die Welt.
Vielerorts kam die nachvollziehbare Reaktion, was man denn mit noch einem Livealbum solle?
Die Frage ist berechtigt, liegt doch mit der legendären CD Live Target und dem Album Live Code sehr gutes Livematerial vor. Noch eine Live-CD im überhörten Re:Boot-Sound – so die Befürchtung – braucht kein Mensch.
Front 242 überraschen
Das Livematerial klingt anders als erwartet (befürchtet?). Die technoiden Elemente sind deutlich reduziert worden, die musikalische Bandbreite und die Vielfalt der verwendeten Sounds ist enorm groß.
Sicherlich – Front 242 klingen nicht plötzlich wieder ‘wie früher’, auch wenn man das unterschwellig immer mal wieder gehofft hat. Der neue Sound klingt frisch und ist zugleich gespickt mit bewusst gewählten Retroelementen – sehr zur Freude älterer Fans.
Alte Klassiker in neuem Gewand
Erinnert hat sich die Band zudem an ihre alten und lange nicht mehr gespielten Klassiker:
- Commando Mix
- Operating Tracks
- Lovely Day
- U-Men
- Quite Unusual
Alle diese Tracks haben ihren Weg in das Liveset gefunden und werden in zum Teil beeindruckenden Versionen dargeboten.
Intensiv und bedrohlich
Besonders die Versionen vom Commando Mix beschwören jenen Sound herauf, der mit seiner Intensität und militärisch klingenden Bedrohlichkeit den Kultstatus der Band begründet hat.
Es klingt wieder mehr nach traditioneller EBM, obgleich die Band insgesamt ein viel breiteres Spektrum bietet.
Fazit
Natürlich hat das Album auch Schwächen: Nicht immer kann der Drummer die benötigte Wucht erzeugen und die Stimme von Jean Luc De Meyer wird ab und an nicht perfekt in Szene gesetzt.
Die Qualität des Sounds insgesamt liegt aber über dem Niveau vieler anderer Livealben.
Highlights wie der genannte Commondo Mix, Masterhit, Moldavia, Until Death (Us Do Part) oder das mit einem Tribut an Kraftwerk versehene Kampfbereit liegen in Anbetracht des Aufkommens der klassischen EBM, besonders in Schweden und Ostdeutschland, am Zahn der Zeit.
Front 242 Veranstaltungshinweis
Hinzuweisen ist an dieser Stelle noch auf den Front 242 Memorial Day in Leipzig am 20.09.08 mit einem beeindruckenden Line-Up, u.a. mit den Turnbull A.C´s.
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