Mit dem neuen Album Big TV nähern sich die White Lies ihren eigenen Anfängen, ein emotional dichtes Werk voll unterkühlter Eleganz, gespickt mit großen und durchaus ambitionierten Popmomenten.
White Lies – Big TV
Die gute Tat entpuppt sich nicht selten als Fluch. Die White Lies können ein Lied davon singen: Zu gut ihr Debüt To Lose My Life mitsamt seiner geballten Indie-Rock Spielfreude und den so lange nachklingenden Melodien.
So gut, dass die durchaus ordentliche zweite Scheibe Ritual im Vergleich etwas blass blieb, trotz der starken Hitsingle Bigger Than Us.
Album Nummer drei gibt nicht selten den Weg vor, den eine Band gehen will. Oder bissiger formuliert: Ab dem dritten Werk wird aus Projekten eine Band mit längerfristiger Perspektive.
Eine Entscheidung ist gefallen, die White Lies rücken etwas näher zum bisweilen epischen Debütsound, glätten ihre Titel aber dezent – ein Bein im Pop, ein Bein in der Kunst – ein sicherer Stand in zwei nicht selten widerstreitenden Welten.
Die Kunst des Pathos
White Lies Songs bewegen, erzählen in stimmungsvollen, nachhallenden Momenten von den Dramen des Lebens. So innig, dass auch negative Momente in Eleganz erstrahlen.
Die Geschichte des New Wave scheint nicht fertig geschrieben zu sein: Melodie, Weitläufigkeit und Stimmung – all das ein Big TV.
Das große Gefühl, die ausufernde Ballade (Heaven Wait) – die englische Formation erklingt bisweilen fast unterkühlt, aber der eisige Griff ist fest und präzise, er fesselt mit melancholischen Synthsounds und britisch-melodischem Gitarrenspiel den Hörer.
Fast alle Songs strotzen durch die starken – hallend in den Vordergrund positionierten – Vocals stellenweise vor epischen Momenten und vor mitschwingendem Pathos.
Diese musikalische Größe setzt die darauf geeichte Produktion in Szene. Aber es wirkt stimmig, die White Lies überspielen damit weder Schwäche noch Ideenarmut wie andere Bands, sie nutzen diesen Ausdruck, weil er in ihnen liegt und sie es einfach können.
Der New Wave/Post Punk des aktuellen Jahrtausends?
Das Titelstück Big TV, ausgestattet mit elektronischem Unterbau, lädt in seiner satten Schönheit zum Zurücklehnen, zur akustischen Rundreise ein, großes Kino sozusagen.
Es macht den Weg frei, ruft Erinnerungen an New Order/Joy Division hervor, kopiert diese aber keinesfalls blind. Die Idee der Songs dominiert Big TV, mal betont entspannt (First Time Caller) oder perfekt-nostalgisch konstruiert (Goldmine).
Höhepunkt des Albums ist neben dem vorab downloadbaren Getting Even der Song Mother Tongue. Der Titel fasziniert nach fast lässigem Start durch einen sich steigernden und leidenschaftlichen Refrain, wie ihn wohl nur die White Lies schreiben können.
So “mollbetont” im Gesang, dass trotz musikalisch anderer Ausrichtung die frühen Tears For Fears dezent durchschimmern – und das adelt bekanntlich.
Vielleicht fehlt an ein bis zwei Stellen ein Ausbruch des frechen Debüt-Gitarrenspiels, vermutlich der Preis für die konsistente “runde” Stimmung des Werks. Es sollte das melodischste Album der White Lies werden und die Band hält Wort.
Fazit: Wer sich Zeit nimmt und sich einfach mal in ebenso Schönes wie Ergreifendes fallen will, der liegt mit Big TV genau richtig und befindet sich in der Hand von Musikprofis mit einem unglaublichen Gespür für Ausdruck. Und das wissen die White Lies auch.
Wertung: 8.5 von 10 Punkten (8.5/10)
Big TV Release Infos
Interpret: White Lies
Label: Polydor (Universal)
Release: 09.08.2013
Stil: Indie-Rock / Wave
Tracklisting:
1. Big TV
2. There Goes Our Love Again
3. Space I
4. First Time Caller
5. Mother Tongue
6. Getting Even
7. Change
8. Be Your Man
9. Space Ii
10. Tricky To Love
11. Heaven Wait
12. Goldmine
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