Kann klassischer Synthie Pop eine Frischzellenkur vertragen oder verwässert das die Songstrukturen und -Ideen? Eine mögliche Antwort liefern Neuropa mit dem neuen, teils überraschenden Werk Resistor.
Neuropa – Resistor
Ganz zu Beginn ihrer Laufbahn wurden die australischen Neuropa gerne als Erasure ihres Kontinents bezeichnet. Immerhin seit dem Jahr 1997 stehen die Jungs aus Sydney schlichtweg für gut gemachte elektronische Popmusik.
Wer das letzte Album Plastique People noch im Gehör hat, wird angesichts der Soundauswahl und des bisweilen naiven Charmes auch an Bands wie Elegant Machinery oder andere bekannte Vertreter gedacht haben.
Gleichwohl, an Anerkennung mangelte es Neuropa im europäischen Raum durchaus. Vielleicht weil der gewählte musikalische Korridor hier schon länger belegt ist oder schlichtweg die Werbemöglichkeiten nicht ausreichten?
Das aktuelle 7. Album Resistor veröffentlichen Neuropa jedenfalls selbstbewusst in Eigenregie. Und selbstbewusst charakterisiert das Album ganz gut, denn die Australier trauen sich was. Dosiert, aber mutig.
Weiterentwickung? Weiterentwicklung!
Normalerweise erträgt man den Begriff “Weiterentwicklung” gerne gepaart mit dem Totschlagwort “Innovation”.
Meist verfasst von Marketingstrategen oder der Band selbst, wenn sie sich musikalisch extrem geändert hat und dennoch möchte, dass die alten Fans die Scheibe bitte kaufen. Und die neue Zielgruppe natürlich auch.
Dabei sollte es eigentlich normal sein, dass eine Band durch ihre Erfahrungen, Eindrücke oder veränderte Lebenslagen neue Ideen einbaut.
Die Änderungen klingen dann ungewohnt, aber doch selbstverständlich und müssen weder begründet noch irgendwie verteidigt werden.
Der Gegensatz dazu ist der musikalische Bruch, der meist mit den genannten Trend- und Schlagworten einhergeht.
Warum dieser Einschub? Neuropa klingen auf Resistor frisch, teils anders und überraschend. Doch erkennt man die Band jederzeit wieder. Mag einfach klingen, ist es erfahrungsgemäß aber eher nicht.
Frische Song- und Soundimpulse
Bereits der Opener, passend Americana betitelt, fordert den Hörer hinaus: So etwas hält der Rock ’n’ Roll Einzug, zumindest melodiemäßig und im stimmlichen Vortrag.
Kein Grund zur Panik, die Nummer macht schlichtweg Laune. Warum nicht die East- oder Westcoast elektronisch untermalt hinuntercruisen?
Die hier hörbaren Ideen klingen ebenso passend wie neuartig. Doch fußen die aktuellen Songs weiterhin auf einem detailliert ausgearbeiteten bis verspielten Synthiesound. Genau das mach Resistor so stimmig.
Uns das Gespür für Popsongs hat die Band zudem nicht verloren, das zeigt sich im Verlauf des Albums immer wieder.
Hits und Kontur
Elektronische Popmusik ist songorientiert und benötigt zündende Ideen. Resistor bietet mit Midnight Sun und Deutschevision endlich jene (Hit-)Songs, die Neuropa (hoffentlich) nach vorn bringen.
Eingängig, dramaturgisch spannend und durchaus scharfzüngig bohren sich die Titel ins Gehör. Die etwas dunkleren Passagen in den zündenden Refrains verleihen den Nummern eine ganz besondere Atmosphäre, die in dieser Stringenz von Neuropa bisher selten zu hören war.
Die Band gibt sich 2014 eine passende Kontur, klingt nicht mehr so “lieb” und stellt dadurch das gekonnte Songwriting in den Vordergrund.
Mit If You Want , Confession oder The End gelingt Neuropa zudem der Brückenschlag zu ihren klassischen Synthie Pop Songs.
Auffällig die vielen kleinen musikalischen Wendungen. Ein Indikator für offensichtlich sprudelnde Ideen und hörbaren Spaß an ihrer Musik, die fast lassiv den ein oder anderen modernen Electrosound implementiert.
Ein oder zwei schwächere Titel im Verlauf verderben den Charakter des Albums daher nicht.
Zum Ende hin bindet das extrem lässige Divine Device den Hörer nochmals und beschwört eine wohlige, hypnotische und frühmorgendliche Clubstimmung herauf.
Die ausgearbeiteten Exdended Versions arbeiten abschließend die Highlights gekonnt aus. Sie stehen den aus den 80ern bekannten klassischen Maxis recht nahe.
Fazit: Neuropa machen mit Resistor einen gewaltigen Satz nach vorne, frischen ihre Synthie Pop Linie gekonnt auf. Variantenreich bieten die Musiker klasse Melodien, traditionelle und doch verspielte Synthpop-Arrangements, gepaart mit ungewohnten Stimmungen.
Wertung: 8 von 10 Punkten (8/10)
Resistor Release Infos
Interpret: Neuropa
Label: Eigenrelease Neuropa
Release: 01.04.2014
Stil: Synthie Pop
Tracklisting:
01. Americana
02. Midnight Sun
03. The End
04. If I Want
05. Pain
06. Confession
07. Deutschevision
08. Only Human
09. Divine Device
10. One Foot In The Grave
11. Coldwar (Sensor Mix)
12. Midnight Sun (Citizen Clone Remix)
13. Deutschevision(Extended Mix)
14. If I Want (Darkopolis Mix)
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