Review: Second Planet – ‘Work Processing’

Second Planet - Work Progressing

Second Planet - Work ProgressingGut Ding will Weile haben. Das betrifft oft den Zeitraum, bis man auf spannende Musik stößt, die schon länger in schattigen Nischen vegetiert. Second Planet sind so ein Kandidat: Minimal, analog und bisweilen stimmungsvoll im Charakter. Mit dem 2012er Album Work Processing wandelt das Projekt in Retrogefilden und überzeugt doch genau jetzt.

Second Planet – Work Processing

Politisch formuliert weist minimal-elektronische Musik mit wavigem Flair zwar oft eine ganz eigene, bisweilen schräg-analoge Qualität auf, aber eines hat sie wahrlich nicht: eine Lobby.

Das gilt für die meisten DJs ebenso wie für alternative Szenegänger, denn natürlich gibt es auch dort “In”-Themen.

Zweifelsohne existiert eine kleine, extrem gut informierte Szene, die Bands wie etwa Bakterielle Infektion, Echo West, Alien Skull Paint, die frühen The Rorschach Garden und Verwandtes zu schätzen weiß. Von den kultigen Flexipop-Samplern ganz zu schweigen.

Aber mal ehrlich: Das ist eine Nische in einer Nische mit einem Öffentlichkeitsfaktor weit unter dem Gefrierpunkt.

Und das ist schade! Vieles, was so grob unter Minimal Wave subsumiert wird, lässt sich bis auf wenige Ausnahmen gut hören, tönt schräg bis originell und verzichtet auf hysterisches Szenegetue.

Second Planet reihen sich in den Fundus überzeugender, reduziert-analoger Musikformationen ein. Nach einigen Compilation-Beiträgen erschien 2012 das Debütalbum Work Processing.

Analoge Synthesizerkost mit passenden Ergänzungen

Es funktioniert durchaus als Gesamtidee: Danilo Roost vertont analoge Synthesizerkunst, die zusammen mit einer unterkühlten Männergesangslinie einen individuellen Charakter vertritt.

Soundfetischismus und eingängige Struktur halten sich auf Work Processing gekonnt sich die Waage, den großen Hit sucht der Künstler in seinen Nummern auf deutsch und englisch nicht.

Und wer bei dem Songnamen Atemlos panisch aufjault – keine Panik, wir schreiben das Jahr 2012, der Schlager-GAU kommt erst noch. Freispruch: Second Planet.

Der Protagonist aus Sachsen-Anhalt ließ sich von D.A.F. und Clan Of Xymox inspirieren. Ebenso von aktuellen Bands der Marke Brigade Rosse oder MASSENDEFEcT. Durchaus ordentliche Referenzen.

Positiv fallen energetische Ausbrüche in Sachen Tempo und selbstbewusst klingende martialische Passagen auf. Der sparsame Ansatz von Second Planet wirkt dadurch nicht zu redundant.

Die angenehme Frauenstimme von Christa Ho ergänzt zudem das Vocalspektrum.

Bei aller Zuwendung: Etwas schwierig sind die mitunter akzentbehafteten Vocals. Das kann einerseits charmant wirken, stört bei einigen Nummern aber (control).

Das monotone Mittel – Zweck und Botschaft

Beachtlich dennoch die Wirkung der effektiven, unterkühlt-analogen Sounds, die mit ihrer technologischen Einfachheit zunächst so niedlich und rührig wirken.

Darunter lauert allerdings ein gesunder Biss: Die auf den Punkt reduzierte Musik entlarvt den tristen Alltag, welchen die Texte von Second Planet oft kritisch-naiv beleuchten.

Die Monotonie ist Mittel und Aussage in einem, sie untermauert die kalt-düstere Ausstrahlung.

Homogenes, konzeptuell stimmiges Album

Ansonsten halten die Tracks bis auf wenige Ausnahmen durchaus ein gutes Niveau, so dass gezielte Anspieltipps entfallen…

…mit einer Ausnahme: Experimental Situation ist überragend inszeniert, gestaltet sich hypnotisch bis dramatisch in der Wirkung und weist Suchtpotenzial auf.

Großes Kino im kleinen Saal.

Fazit: Charmant, retro, pointiert und monoton schräg. Second Planet evozieren oft ein nostalgisches Gefühl, erinnern daran, wie anders elektronische Sounds verwendet werden können. Aber die Band vermittelt keinen negativen Affekt, die Konstruktion und der Schwung der Nummern lassen den Hörer gerne in diese reduziert-analoge Musikwelt eintauchen, die insgesamt so wenig Öffentlichkeit erhält.

Wertung: 7.5 von 10 Punkten (7.5/10)

Release Infos

Interpret: Second Planet.
Label: Skullzine
Release: 2012
Stil: Minimal Wave

Tracklisting:
01. control
02. hier und jetzt
03. memory
04. never never land
05. alles was ist
06. error situation
07. immer wieder
08. signals
09. drifting stars
10. atemlos
11. experimental situation
12. abyss
13. spacetime
14. absolute zero
15. darkness
16. past and future
17. l’enfer

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