Sänger: weg. Stimme:weg. Aus & Ende. Eine Kette, die für die meisten Bands gelten würde, aber nicht für Spark! – das belegt das neue Album Spektrum. Takt- und Ideengeber Mattias Ziessow greift auf eine ungewöhnliche Lösung zurück, er lässt bekannte Shouter und Sänger aus EBM und Synthpop den Ausdruck neu definieren und lässt sich auf die Veränderung als einzige Chance ein.
Spark! – Spektrum
Es ist immer schwer, wenn eine markante Stimme die Band verlässt, denn der ureigene Klang des Gesangs von Stefan Brorsson bestimmte die Wirkung und auch den Charme von Spark! maßgeblich mit.
Aus persönlichen Gründen verließ er die Band, sorgte damit für die Frage, ob und wie es überhaupt mit der sehr beliebten Formation weitergehen könne. Die Antwort ist im neuen Spektrum zu finden.
Der Titel der Scheibe könnte besser nicht gewählt sein, denn die unterschiedlichen – und teils sehr bekannten – Gastperformer drücken den Spark!-Nummern natürlich mehr oder weniger explizit ihren Stempel auf.
Album mit Doppelcharakter
Die Stilistik des Albums ist somit sehr breit gewählt, lenkt den Fokus weg von der klaffenden Wunde, der fehlenden Ur-Stimme.
Dabei muss dem Hörer klar sein, dass dieses neue Spark!-Werk einen Doppelcharakter aufweist: Einerseits sorgt Mattias Ziessow mit seinen flotten und typischen, aber eben nicht so hart gewählten Sounds für den klanglichen Wiedererkennungswert; die Vielzahl der Gastsänger bewirkt aber auch, dass manchmal eine Art Compilation-Gefühl entsteht.
Ein Spektrum von hart bis poppig
Das sagt natürlich nichts nichts über die Wirkung und Qualität der neuen Spark! im Jahre 2015 aus.
Selbige resultiert aus den Tracks selbst. Klar wird, eine Krise markiert die Vorderseite einer Medaille, auf deren Rückseite ein Chancenmotiv prangt.
Welche Seite dem Hörer nun gezeigt wird, das bestimmt die Formation selbst und sie macht schnell klar, dass man, mitbedingt durch die Kollaborationen, die auf den letzten Releases teilweise verloren gegangene Wucht re-impotiert.
In vielen Titeln nehmen die Bässe wieder richtig Fahrt auf, der Flächeneinsatz wurde insgesamt reduziert und auf passende Popsongs beschränkt.
Wiederentdeckte Härte
Wenn etwa Unforgiving mit Henrik Björk (Pouppée Fabrikk) und seiner ihm innewohnenden Gnadenlosigkeit die EBM-Heads nicht mächtig durchschüttelt, dann wäre die Halbwertszeit des so gerne beschworenen gestählten Schuhwerks wohl abgelaufen.
Davon aber keine Spur, das Ding funktioniert wie Sau, ein EBM-Knaller.
Wunderbar knochentrocken dröhnt Weit Voraus, welches mit NordarR fabriziert wurde, aus der Ferne durch die Lautsprecher. Spannend, dass die typischen, eben nicht ganz so harten Spark!-Sounds mit derben Vocals gut harmonieren.
Musikalisch überragend und abwechslungsreich zeigt sich das bereits bekannte Infectious mit Pontus Stalberg (Spetsnaz) am Mikro – der Mann kann einfach singen und bündelt Härte und Ausdruck spielend zu einem treibend-melodiös erweiterten Klassetrack.
Solide Stampfer oder mitunter etwas technoid geprägte Titel, z.B. Fashion feat. Leaether Strip, loten die clubbige Seite des Projektes aus.
A Final Twitch (mit NZ) widerspricht im Verlauf überraschend den Erwartungen: Hier lauert ein kein geshouteter, sondern ein erzählter Up-Tempo-Track, dessen akustischen Gehalt man erst langsam, aber stetig entdeckt.
Lediglich Nordost mit Patenbrigade:Wolff will so gar nicht überzeugen, wirkt irgendwie unfertig. Nicht weiter wild, wer viel riskiert, kann das verkraften.
Der melodische Part
Eine alte Stärke von Spark! war seit jeher das Gespür für Melodie, ein Trademark, das man bei den Schweden nicht missen möchte. Dementsprechend eingängig der akustische Output der ersten Albumhälfte.
Dysfunctional (feat. Biomekkanik) geht in diese Richtung und bewegt sich vielleicht am deutlichsten in alten Spark!-Gefilden – und zwar gekonnt. Tempo-, Stimm- und Rhythmuswechsel werten diesen intensiven Popsong auf.
Die Zusammenarbeit mit Substaat bei Momentum weist einen soliden Charakter auf, Dupont drücken hingegen Light On tatsächlich komplett ihren Stempel auf. Das macht´s für Dupont-Fans sicher leicht.
Diskussionsbedarf bei Fangesinn feat. Xenturion Prime. Das Ding spaltet sicherlich etwas; extrem poppig klingend und fast eurodancemäßig bemantelt, enttarnt sich hier der kommerziellste Titel des Albums, der in bester Spark!-Tradition auf schwedisch vorgetragen wird.
Um es kurz zu machen: Ja, die Nummer wirkt mainstreamig, aber sie hat einen unfassbar guten Refrain, welchen man sich kaum entziehen kann. Vermutlich eine gute Single für den schwedischen Markt.
Fazit: Spektrum versucht gar nicht erst eine Lücke zu schließen, die man nicht 1:1 kitten kann. Die Reaktion umfasst vielmehr eine neue Selbstdefinition, die sehr unterschiedliche Titel erlaubt, aber glücklicherweise die elementaren Spark!-Sounds nicht vergisst. In weiten Zügen sehr gelungen, vor allem überzeugt die Power, welche einige Tracks ausstrahlen und das bekannt griffige Songwriting. Es war die richtige Wahl, die Spark!-Flinte nicht ins Korn zu werfen. Und so geht es weiter – nicht wie früher, aber anders. Und gut.
Wertung: 8 von 10 Punkten (8/10)
Release Infos
Interpret: Spark!
Label: Progress Productions
Release: 30.01.2015
Stil: EBM/Synthpop
Tracklisting:
01. Infectious (feat. Spetsnaz)
02. Nordost (feat. Patenbrigade :Wolff)
03. Dysfunctional (feat. Biomekkanik)
04. Weit Voraus (feat. NordarR)
05. Light On (feat. Dupont)
06. Fashion (feat. Leaether Strip)
07. Fangesinn (feat. Xenturion Prime)
08. A Final Twitch (feat. NZ)
09. Mittsommernacht (feat. Blitzmaschine)
10. Unforgiving (feat. Pouppee Fabrikk)
11. Momentum (feat. Substaat)
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