Wie bekannt eine Band ist, wie viele Follower sie sich auf den gängigen Social-Media-Plattformen einverleibt, das sagt nicht immer etwas über Potenzial und Qualität aus. G.O.L.E.M mag eine noch vergleichsweise kleine Fanszene um sich wissen, doch die Musik ist schon deshalb interessant, weil sie Dark-Electro-Fans ein wohliges Feeling, eine Verortung in der – zumindest gefühlt – guten alten Zeit beschert. Und das ist kein Zufall.
Gunar Vykus aka G.O.L.E.M
Aus München stammt Mastermind Gunar Vykus. Seinem ersten Album Decades gingen längere Vorarbeiten voraus, sodass es schließlich im Jahre 2017 die bisherigen Aktivitäten bündelte. Das Debüt verband zwei dominierende Stilmittel: An der EBM orientiert Sequenzen sorgen für ordentlich Dampf und ließen tobsüchtige Oldschooler eben jenen ausstoßen. Gunar Vykus kann direkt und ruppig auftreten, die Bässe vorpreschen lassen, so er denn will.
Den Gegenpol stellen ausladende, auffällig sphärische Arrangements dar, welche durch intensive Samples an Dramatik gewinnen. Diese typischen Dark-Electro-Elemente betonen zusammen mit der düster-gepressten, variabel verzerrten Stimme die immanente Weitläufigkeit der Songs. In der Wirkung erinnert diese Stilistik tatsächlich überzeugend an die Hochphase des klassischen Dark Electros Anfang/Mitte der 90er Jahre. Mal selbstbewusst nach vorne gehend, dann wieder vieldeutig und melodiös, stets etwas morbide-brummelnd im Nachgang.
Und weil die Produktion moderne Möglichkeiten glücklicherweise nicht scheut, überzeugt der bisherige Output mit einem ebenso satten wie strukturiert-ausdifferenzierten Klang. Dabei rutscht das Ganze nicht in jenen Bereich ab, der mitunter “zu viel des Guten” bietet. Beim Mastering des ersten Albums legten Bathead & Gunar Vykus übrigens gemeinsam Hand an.
No Fate
Sorgte der Start im letzten Jahrzehnt für Respekt und erstes positiven Feedback in Szenekreisen, so geht das aktuelle Album No Fate noch einen Schritt weiter: G.O.L.E.M reiht sich mit No Fate nahtlos in die nicht wenigen hochwertigen Releases im Genre des traditionellen Dark Electros ein, welche in den letzten Jahren herauskamen: Die Projekte Pyrroline, Sleepwalk, Jihad oder Fix8:Sed8 seien hier als exemplarische Beispiele genannt.
G.O.L.E.M findet einen funktionierenden Kompromiss zwischen verschachtelten, intelligenten Strukturen und der dynamischen Darbietung des jeweiligen Motivs. Die variantenreiche Musik triggert den Hörer mental an, ohne dabei jenem Phänomen zu unterliegen, welches im Englischen als “Overthinking” bezeichnet wird.
Mal abgrundtief finster (Hollow), dann wieder versöhnlich-entspannt (Evolution) oder mit zackigem Temperament ausgestattet (These Days), bietet No Fate ein ganzes Spektrum divergierender Hörerlebnisse in einem dennoch konsistenten Ansatz.
Der Drive überragender Nummern wie Godspeed – die Lyrics stammen hierbei von Chrissy Red – wird gekonnt von ausladenden, Perspektiven aufzeigenden Stimmungen flankiert. Den Vergleich mit alten, jedermann bekannten Genregrößen muss G.O.L.E.M in solchen Momenten nicht scheuen. Viele kraftvolle Kompositionen gewähren Hörern und Hörerinnen im selben Moment ein wohliges Zurückfallen. Düsteres kann so schön sein.
Oftmals nimmt sich Gunar Vykus Zeit und Raum für differenziert ausgearbeitete Intros. Er führt sukzessiv in die Tracks ein. Wenn dann Kraft, Message und Energie einsetzen, ist ein Zurück kaum noch möglich. Mustergültig inszeniert im Albumhighlight Twilight Of The Gods, welches man – ohne zu übertreiben – als aktuelle Dark-Electro-Perle bezeichnen kann.
Video: Godspeed
Drive und Komplexität im Zusammenspiel – Godspeed.
Video: Dominant Species On Earth
Ein Beispiel für eher szenische, bisweilen sogar “chillige” Kompositionen markiert Dominant Species On Earth.
G.O.L.E.M Releases
Beide Alben von G.O.L.E.M erschienen im Eigenvertrieb auf Plattformen wie Bandcamp.
- Decades (G.O.L.E.M. Self-released 2017)
- No Fate (G.O.L.E.M. Self-released 2021)
Für Dark-Electro-Fans, die den gelungenen Spagat zwischen Härte, Songidee und Atmosphäre schätzen, sicherlich mehr als eine Empfehlung.
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